Gedanken zu Axis 100. Geburtstag

Am 10. Oktober 2018 jährt sich Axis Geburtstag zum 100. Mal. Das wäre üblicherweise Anlass für eine Würdigung: Axi war fraglos eine der prägenden Gestalten der Jugendbewegung, für viele eine Symbolfigur, wurde gar zum Idol der bündischen Jugend stilisiert, war Bundesgründer, Freund, Ratgeber, Wegweiser, Visionär. Aber eben auch, wie wir heute wissen und klar benennen müssen: ein Täter, der gegenüber Jugendlichen übergriffig geworden ist und dabei seine eigenen Ideen missbraucht hat.

Als Phoenix, Axis letzte und in ihrer Form dauerhafteste Gründung, haben wir uns in den vergangenen Jahren der Aufarbeitung der Schattenseiten unseres Bundesgründers gestellt. Ein vorläufiger Abschlussbericht ist in Arbeit und die Ergebnisse werden auch Niederschlag finden in den anstehenden Publikationen von Almut Heimbach und Sven Reiss.

Damit ist die Arbeit jedoch nicht zu Ende, denn wir stehen nun vor der Frage, wie wir in dieser Situation an Axi erinnern können. Zerfällt seine Lebensleistung angesichts seiner Schatten zu Staub? Sollten wir uns von ihm distanzieren, ihn aus dem Gedächtnis und der Legitimation unseres Bundes und des Bündischen tilgen, oder wäre das gerade zu einfach? Können wir uns noch kritisch-positiv auf ihn beziehen? Wie sieht ein angemessener Umgang mit den Schattenseiten eines Menschen aus, der für uns ein Teil unserer Identität ist?

Wir haben für uns noch keine Antwort auf diese Fragen gefunden. Vielleicht auch deshalb, weil sie uns in einem größeren Kontext bewegen, nämlich wie die Jugendbewegung insgesamt mit den langsam zutage tretenden gewaltigen Schatten in ihrer Geschichte umgehen will – nach eigener Bestimmung, vor eigener Verantwortung und in innerer Wahrhaftigkeit. Aufklärung und Prävention von sexueller Gewalt ist das eine, historische Aufarbeitung, die einen Weg in die Zukunft weist, das andere.

Das umfassende Erinnerungsheft, das wir zu Axis 100. einmal angedacht haben, steht deshalb weiter aus. Wir glauben, dass nicht nur uns als Bund einige unserer formalen und strukturellen Grundlagen in schmerzhafter Weise fragwürdig, ja brüchig geworden sind. Wir werden daher in einen umfassenden und substanziellen Prozess der Selbstvergewisserung gehen. Das, was wir tun und wollen, müssen wir für uns heute neu und unmissverständlich formulieren. Dabei wird sich auch zeigen, inwieweit wir uns weiter auf Axi beziehen können und wollen.

für den Jungenbund Phoenix
im Oktober 2018
felix

Einige Jahre später befindet sich nun der Bund an einer anderen Stelle: Unsere Aufarbeitung ist (soweit möglich) abgeschlossen, Axis gesammelte Briefwechsel, Tagebücher und andere Unterlagen wurden an das Archiv der Jugendbewegung auf Burg Ludwigstein übertragen. Die Fortführung des damals von felix angesprochenen Prozesses hat uns klar gemacht, dass wir uns nicht weiter auf die von Axi gelegten Fundamente des Jungenbund Phoenix beziehen und darauf aufbauen können.

Zu sehr war Axi Täter, zu viel seine Schriften und Ideen Legitimation für andere Täter. Subtexte in unseren Bundessätzen, die wir jahrelang in unserem Sinne umgedeutet hatten, waren nun augenfällig und die Sätze als Ganzes nicht mehr tragbar.

Gleichwohl waren wir uns einig: Unsere Gemeinschaft mit Grundlagen, die wir für uns selbst erkannt haben und deren Wert nicht durch dieTaten und Ansichten unseres langjährigen Bundesführers und Bundesgründers geschmälert wird, soll weiter bestehen. Also haben wir uns – obwohl ausgelaugt von fast zehnjäriger Aufarbeitung und geschwächt durch die Corona-Zeit – im Jahre 2022 neu gegründet. 

für den Fahrtenbund Phoenix
im Februar 2024
Elias